KREISVERBAND CUXHAVEN

letzte Aktualisierung, 30.12.2022

Küstenautobahn

Eine Autobahn A20 in unserer Region ? -   NIE!

In unserer Region, im Nordwesten  zwischen Westerstede im Landkreis Ammerland und Drochtersen im Landkreis Stade, wird seit über zehn Jahren parallel zur A 1 die so genannte Küstenautobahn A 20 geplant.

Die Grünen fordern, die Planungen zur A 20 sowohl aus Klimaschutz- als auch aus Wirtschaftlichkeits- und Kostengründen umgehend zu den Akten zu legen. Die rot-grüne Koalition in Niedersachsen sieht zumindest eine Überprüfung des Bundesverkehrswegeplanes als notwendig an, auch wenn ein Nein zur A 20 im Koalitionsvertrag vom Nov. 2022 noch nicht durchsetzbar war. Bei der Elbquerung setzt sich die Landesregierung dafür ein, dass beide Fährverbindungen, sowohl Glückstadt-Wischhafen als auch Brunsbüttel-Cuxhaven deutlich aufgewertet bzw. wieder in Fahrt gebracht werden.( Anm.: Das wäre mit einem vergleichsweise kleinem Kostenaufwand machbar.)

Bereits im Bundesverkehrswegeplan von 2016 wurden die Kosten der A 20 mit rund 3,7 Milliarden Euro angegeben. Nun wird die A 20 laut einer aktuellen Kostenschätzung der Bundesregierung fast 6 Milliarden Euro kosten – eine Kostensteigerung von über 60 Prozent. Umweltverbände haben (mit neuem Elbtunnel) sogar über 7 Milliarden errechnet. Damit übersteigen die Kosten der A 20 den Nutzen bei weitem. Das Bauprojekt lässt sich nicht mehr schönrechnen – es ist wirtschaftlich sinnlos.

Die A 20-Gegner begrüßen ein aktuelles Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Frühjahr 2022 zum ersten Abschnitt bei Westerstede in Niedersachsen. Danach wurde die Planfeststellung dort zunächst gestoppt. Zwar hat sich das Gericht nicht mit den wichtigen Aspekten des Bedarfs und des Klimaschutzes näher befassen wollen und in dieser Frage an die Politik verwiesen. Dennoch bestätigt das Urteil die Kritik der A 20-Gegner, die immer wieder auf fehlerhafte Ermittlungen hingewiesen hatten.  Hinzu kommt für weitere Gerichtsverfahren das neue Klimaschutzgesetz der Bundesregierung, das für Straßenneubau-Großprojekte, insbesondere in Moorgebieten, die Hürden nochmals erhöhen wird. Bei der A 20 gibt es sieben Bauabschnitte, für alle ist mit Klagen gegen mögliche Planbeschlüsse zu rechnen.   

Mit einem Vier-Milliarden-Euro-Programm will die Bundesumweltministerin Steffi Lemke Biodiversität stärken und Klimaschutz durch Schutz und Wiederherstellung von Mooren, Gewässern, Wäldern und Böden fördern. Der Koordinationskreis der Initiativen gegen die A 20 unterstützt das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ des Bundesumweltministeriums ausdrücklich. Ein Bau der A 20 stünde in krassem Widerspruch zu diesem Programm.

Zum anderen ist davon aus zu gehen, dass durch Betroffene und die Initiativen entlang der Trasse, die sich unter anderem in einem Schutz –und Klagefonds organisiert haben, jeder einzelnen Abschnitt beklagt werden wird.

Nicht ohne Stolz kann angemerkt werden, dass die bisherige Arbeit des BI´s und des Schutz-und Klagefonds mit dazu beitragen konnte, dass die Planung bisher nicht so reibungslos, wie gewünscht, verlief.

Umso wichtiger und wünschenswert ist es, dass jeder, der dem Projekt ablehnend gegenüber steht, durch Spenden oder seinen Beitritt zum Klagefonds, den Widerstand  gegen dieses unsinnige Projekt tatkräftig unterstützen kann. Denn Gutachten  und Anwaltskosten benötigen auch weiterhin viel Geld.

Auch in Anbetracht der inzwischen an eindringlicher Dynamik zunehmenden  Diskussion um den Klimawandel [2] und  die globale Zukunft kommender Generationen ist dieses Autobahnprojekt nicht mehr zeitgemäß und  zu rechtfertigen.

Darum gilt für unsere Region:     A 20 nie



[1]  BVG _ Bundesverwaltungsgericht in Leipzig

[2] Siehe  dazu unsere Veröffentlichung: Klimaschutz nur ohne A22 ! Für eine zukunftsfähige Nordwest-Region, Positionspapier der Initiativen gegen die A22 ,Stand August 2009

weitere Informationen:

Beitrag von Kirsten Erwentraut und Susanne Grube für die Grüne Welle, Cuxhaven 2016

Mit der Kraft der guten Gründe

Ungebrochener Widerstand gegen das unsinnige Bauprojekt A 20

Die Planung der so genannten „Küstenautobahn“ kann inzwischen auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bis heute ist allerdings kein einziger Meter dieser Trasse gebaut worden – und das aus guten Gründen. Vor nunmehr 13 Jahren wurde die Autobahn in den „Weiteren Bedarf“ des damaligen Bundesverkehrswegeplans (BVWP) aufgenommen. Für viele Menschen im Elbe-Weser-Raum war dies das Startsignal, um sich mit dem Thema intensiver zu beschäftigen: Da war einerseits das Entsetzen der direkt Betroffenen, aber auch die grundsätzliche Frage nach dem Sinn oder Unsinn dieser geplanten Trasse durch die eher gering besiedelten Regionen zwischen dem Ammerland und der Elbe.

Seither wird die A 20, die vormals A 22 hieß, in vielen Lokalzeitungen als „Wohlstandsachse“ gepriesen, die Industrie- und Handelskammern beteuern ihre europäische Bedeutung, Politiker beschwören ihre Notwendigkeit für die Hinterlandanbindung der Seehäfen und Verkehrsplaner betonen, dass sie aus verkehrlicher Sicht notwendig sei.

Bei genauerem Hinsehen lösen sich die diese Argumente allerdings in Luft auf. Seit 30 Jahren zeigen wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen an anderen Autobahnen, dass die regionale Wirtschaft eher Schaden erleidet, neue Arbeitsplätze nahezu ausbleiben und schnelle Trassen den Effekt haben, Arbeitskräfte aus strukturschwachen Regionen in die Zentren abzuziehen. Für Europa ist diese Autobahn nutzlos, da die großen Transitströme die Mitte Deutschlands fernab der Küste queren. Auch aus Sicht der EU gehört die A 20 nicht zu den bedeutenden europäischen Vernetzungsprojekten. Der weitaus größte Teil der Güter aus den Seehäfen geht in den Süden und Südosten. Die geplante Ost-West-Trasse verläuft für diesen Zweck in falscher Richtung. Und schließlich existieren zwischen dem Ammerland und der Elbe keine verkehrlichen Engpässe. Zudem gibt es mit den bestehenden Straßen-, Eisenbahn- und Wasserwegen genügend Alternativen, die bei Bedarf umweltfreundlicher und kostengünstiger ausgebaut werden könnten.

Angesichts dieser Erkenntnisse sprossen in der Summe rund 30 Bürgerinitiativen entlang der geplanten 120 Kilometer langen Trasse wie Pilze aus dem Boden. Ihre Mitglieder entschlossen sich schnell dazu, die einzelnen Initiativen miteinander zu vernetzen. Im November 2004 fand das erste Treffen statt: Das war die Geburtsstunde des „Koordinationskreises der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20“. Vertreter der einzelnen Initiativen kommen seitdem bis heute einmal im Monat zusammen, um sich zu beraten und strategische Entscheidungen zu treffen. Aktionen wie Mahnwachen, Sternfahrten, Lärmwanderungen, Übergabe von Unterschriftensammlungen, Schreiben an politische Entscheider, Erarbeitung von Konzepten und Alternativen, Beteiligung an Planungsverfahren, Pressearbeit und der Internetauftritt werden gemeinschaftlich organisiert. (1)

Um die juristische Schlagkraft zu erhöhen, wurde 2008 der „Schutz- und Klagefonds gegen die A 20“ gegründet. (2) Mithilfe der Einlage wird der Anwalt finanziert, der sich bereits bei den Stellungnahmen im Rahmen der Planungsverfahren einbringt und später im Klageverfahren zur Seite stehen wird.

Die Initiativen gegen die A 20 sind also seit über einem Jahrzehnt gut organisiert und bestens informiert. Immer wieder führen sie fundierte Argumente an, die gegen die Autobahn sprechen. Die Befürworter des Autobahnprojektes reagieren oft und gern mit vollmundigen Ankündigungen eines baldigen Baubeginns. Schon seit geraumer Zeit sollte alle Jahre wieder der erste Spatenstich getan werden: Der ehemalige niedersächsische Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) prophezeite den Baubeginn für 2008. Die ehemalige Landtagsvizepräsidentin Astrid Vockert (CDU) hegte die Absicht, 2009 mit dem Bau erster Teilabschnitte zu beginnen. Der Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister, Enak Ferlemann (CDU), der es ja eigentlich besser wissen müsste, orakelte ebenso selbstbewusst wie realitätsfern, dass der Elbtunnel und die gesamte Autobahn 2011 Baurecht haben würden. Mehrere Vertreter der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) sagten einen Baubeginn für 2013 voraus. Diese Aufzählung unglaubwürdiger Aussagen zu Baubeginnen und Fertigstellungen ließe sich schier endlos fortsetzten. Der Koordinationskreis der Initiativen und Umweltverbände gegen die A 20 hat sich die Mühe gemacht, all die leeren Prophezeiungen in einer entlarvenden Liste zusammenzustellen. Die unzähligen angekündigten Termine haben eine bestechende Gemeinsamkeit: Sie alle sind verstrichen, ohne dass zwischen Ammerland und Elbe je ein Bagger angerollt wäre. Die einmalig schönen und erhaltenswerten Lebensräume für Pflanzen, Tiere und Menschen sind bislang unbeschadet geblieben. Das ist gut so und soll auch so bleiben.

Der tatsächliche Stand der A 20 sieht im Juni 2016 so aus: Von den acht Planungsabschnitten in Niedersachsen sind lediglich zwei im Planfeststellungsverfahren. Bei einem dieser beiden Abschnitte läuft das Planfeststellungsverfahren nun seit vier Jahren, bei dem anderen seit gut einem Jahr. Für einen weiteren Abschnitt hat der Bund im Februar 2016 die Zustimmung zur Einleitung des Planfeststellungsverfahrens erteilt, was 2017 geschehen soll.

Der Elbtunnel zwischen Drochtersen in Niedersachsen und Glückstadt in Schleswig-Holstein wird bei den Planungsbehörden als eigenständiges Projekt geführt. Sowohl der schleswig-holsteinische als auch der niedersächsische Abschnitt des Elbtunnels standen schon im alten BVWP von 2003 im sog. „Vordringlichen Bedarf“. Für beide Tunnelabschnitte ist ein Planfeststellungsbeschluss ergangen. Beide Planfeststellungsbeschlüsse wurden jedoch von Umweltverbänden, Gemeinden, Unternehmen, Landbesitzern und Privatpersonen beklagt.

Eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) Leipzig über die vorliegenden Klagen gegen den niedersächsischen Teil des Elbtunnels steht noch aus. Die Verhandlung wird Ende Oktober 2016 erwartet.

Zum Elbtunnelabschnitt in Schleswig-Holstein hat das BVerwG Ende April 2016 ein Urteil gesprochen. Der Planfeststellungsbeschluss wurde für „rechtswidrig und nicht vollziehbar“ erklärt. Aufgrund einer neuen EU-Rechtsprechung hatte der Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) als zuständige Planungsbehörde einen Bericht über die Auswirkungen, die der Tunnelbau auf die Qualität des Grund- und Oberflächenwassers haben wird, nachliefern müssen. Diesen Bericht hatte der LBV nur den Klägern gegen die A 20 vorgelegt. Das reicht nicht aus, wie das Gericht entschied, denn auch zum nachgereichten Bericht muss eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden. Diese wird nun nachgeholt.

Die anderen Klagepunkte der insgesamt sieben Kläger sind vom Gericht abgewiesen worden. Zum Teil konnte das nur geschehen, weil die Beklagten – also der LBV bzw. das Land Schleswig-Holstein – den vorliegenden Planfeststellungsbeschluss während der mündlichen Gerichtsverhandlung änderten. Ein solches Vorgehen ist zwar offenbar üblich, aber deswegen nicht automatisch zulässig, wie Rechtsanwalt Dr. W. Mecklenburg in seinen Anmerkungen zum Urteil des BVerwG schreibt. (3)

Noch bemerkenswerter ist es, dass das Gericht schlicht keine Zweifel am Bedarf und an der Finanzierung des schleswig-holsteinischen Tunnelabschnitts zugelassen hat. In der Pressemitteilung des BVerwG zur Urteilsverkündung heißt es:

„Die gesetzliche Bedarfsfeststellung für das im geltenden Fernstraßenbedarfsplan als vordringlicher Bedarf ausgewiesene Tunnelprojekt ist für das Gericht verbindlich. Auch unter dem Gesichtspunkt der Finanzierbarkeit sind unüberwindliche Schranken nicht erkennbar geworden. Für den Fall, dass eine Privatfinanzierung scheitern sollte, hat der Bund erklärt, dass eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln erfolgt.“ (4)

Im Klartext bedeutet dies, dass die Frage nach dem Bedarf eines Infrastrukturprojekts – also die Frage nach seinem Sinn oder Unsinn – vor Gericht offenbar nicht mehr gestellt werden darf, sobald dieses Projekt endgültig in den BVWP aufgenommen worden ist.

Umso erfreulicher ist es, dass die Bedenken und Einschätzungen der A 20-Kritiker vor kurzem von höchster Stelle bestätigt worden sind. Im Entwurf zum BVWP, veröffentlicht im März 2016, kommt der Bundesverkehrsminister in einigen wichtigen Punkten zu Ergebnissen, die den Initiativen gegen die A 20 schon seit langem bekannt sind:

  • Das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) der A 20 ist schlecht, denn es liegt nur bei 1,6. – Damit ist ihr Nutzen mehr als fragwürdig, zumal dies das schlechteste NKV aller niedersächsischen Projekte ist.
  • Der Umweltschaden, denn diese Trasse anrichten wird, lässt sich mit 760 Mio. Euro beziffern. – Damit ist die A 20 das umweltschädlichste Projekt des gesamten BVWP.
  • Auf der A 20 werden nur 19.000 Kfz pro Tag unterwegs sein. – Das ist eine schwache Begründung für eine Autobahn, denn diese geringe Verkehrsmenge könnte auch von einer gut ausgebauten Bundesstraße problemlos aufgenommen werden.

Trotz dieser schlechten Bewertungsresultate ist die A 20 im BVWP-Entwurf um eine Bedarfskategorie heraufgestuft worden. Nun steht sie nicht mehr im „Weiteren“, sondern im „Vordringlichen Bedarf“ (VB). Die Höherstufung ist erfolgt, weil der Bundesverkehrsminister der A 20 eine hohe Raumwirksamkeit und eine Bedeutung für die Hinterlandanbindung der Seehäfen zuschreibt. In diesen Punkten liegt der Minister falsch, wie der Koordinationskreis der Autobahngegner in einer faktenreichen Stellungnahme dargelegt hat. (5)

Die Untersuchung der Raumwirksamkeit widmet sich der Frage, inwiefern ein Projekt sich auf die vielfältigen Verbindungen eines Ortes mit anderen Orten auswirkt. Die Raumwirksamkeitsanalyse gehört zu den vier wichtigsten Prüfverfahren der Bundesverkehrswegeplanung. Im BVWP-Entwurf heißt es dazu: „Es gibt (...) Straßenprojekte, die zwar ein vergleichsweise geringeres NKV aufweisen, aufgrund der hohen raumordnerischen Bedeutung aber in den VB eingeordnet wurden.“ (6)

Bei der gesamten niedersächsischen A 20 hat die Analyse zu dem Resultat geführt, dass diese Autobahn lediglich eine mittlere Raumwirksamkeit aufweist. Die beiden schleswig-holsteinischen Teilstücke der A 20 haben sogar nur eine geringe Raumwirksamkeit. So steht es in den Projektdossiers, die das Verkehrsministerium im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung zum BVWP ins Internet gestellt hat.

Doch siehe da: Im BVWP selbst, in dem es um die Einstufung der Bauvorhaben in die unterschiedlichen Bedarfskategorien geht, ist bei der A 20 plötzlich eine hohe Raumwirksamkeit vermerkt. Diese ist, man kann es schlicht nicht anders bezeichnen, frei erfunden. Wenn der BVWP-Entwurf seine eigenen Untersuchungsergebnisse ernst nehmen möchte, ist die Raumwirksamkeit als Begründung für die Einstufung der A 20 in den „Vordringlichen Bedarf“ hinfällig.

So bleibt nur noch die viel beschworene Hinterlandanbindung der Seehäfen als Rechtfertigung für den Verbleib der A 20 im „Vordringlichen Bedarf“. Ein Infrastrukturprojekt hat dann einen Nutzen für die Hinterlandanbindung, wenn es die Verbindung der Seehäfen mit dem Binnenland verbessert und so einen Beitrag zur reibungsloseren Abwicklung des Gütertransports leistet. Doch auch diese Begründung der A 20 ist auf einem schwankenden Fundament erbaut.

Die A 20 verläuft in West-Ost-Richtung, sie liegt in der Nähe der Küsten und sie ist eine Parallelstrecke zur A 1. Mehr braucht man eigentlich nicht zu sagen, um die fadenscheinige Begründung dieser Autobahn wie ein Kartenhaus einstürzen zu lassen.

Der Hauptstrom der Güter aus den deutschen Seehäfen, die naturgemäß an den Küsten von Nord- und Ostsee liegen, fließt nach Süden und Südosten: Rund 75% der Güter werden aus den Häfen in diese Richtung transportiert bzw. aus dieser Richtung in den Häfen angeliefert. Der Verlauf der A 20 ist diesem Hauptgüterstrom diametral entgegengesetzt.

Die verbleibenden Güter, welche von Westen nach Osten (oder in umgekehrter Richtung) verbracht werden müssen, können am kostengünstigsten mit dem Schiff transportiert werden: Der Wasserweg war, ist und bleibt die natürlichste und rentabelste Verkehrsanbindung der Häfen. Auf diesem sicherlich ausbaufähigen Wege sind die deutschen Seehäfen mit den großen Häfen in Nordfrankreich, in Belgien, in den Niederlanden, in Skandinavien, im Baltikum, in Polen und in Russland verbunden.

Zudem ist die straßenseitige Anbindung des maßgeblichen, südlich und südöstlich gelegenen Hinterlandes über die vor­handene Autobahn A 1 sowie über die A 29, die A 27 und die A 7 bereits gewährleistet. Faktisch gibt es jetzt und in Zukunft auch bei steigendem Güterverkehrsaufkommen im Hinblick auf den Verkehrsträger Straße keine Schwierigkeiten mit der Hinterlandanbindung der Seehäfen, die eine zusätzliche Autobahn rechtfertigen würden. Die Hinterlandanbindung ist kein Argument für den Bau der A 20.

Probleme bei der Hinterlandanbindung bestehen indes bei den Schienenknoten in der Nähe bedeutender Hafenstädte wie Bremen und Hamburg. Bezeichnenderweise hat der BVWP-Entwurf mehrere Schienenprojekte, die für den reibungslosen Abtransport der Güter aus den Seehäfen dringlich sind, in die flugs kreierte Kategorie des „Potentiellen Bedarfs“ abgeschoben. Das Umweltbundesamt hält diese Kategorie zu Recht für „äußerst fragwürdig“, denn die hier eingeordneten Projekte sind im Zuge der Aufstellung des BVWP-Entwurfs nicht vollumfänglich geprüft und bewertet worden. Auch die Öffentlichkeit hatte keine Chance, sich mit diesen Projekten auseinanderzusetzen. (7)

Eine solche Vorgehensweise verstößt nicht nur gegen das Gebot der Transparenz, sondern sie konterkariert die Zielsetzungen der Bundesverkehrswegeplanung, deren Aufgabe es ist, die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße sinnvoll miteinander zu vernetzen.

Am Beispiel der A 20 wird deutlich, dass dem Bundesverkehrsminister mit dem Entwurf des BVWP keineswegs der große Durchbruch in Richtung einer zukunftsweisenden Planung gelungen ist, welche die Vorteile aller Verkehrsträger auf sinnvolle Weise miteinander kombinieren muss. Dieser Entwurf ignoriert den Klimaschutz und gibt sich keinerlei Mühe, den Verkehr von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene oder die Wasserstraße zu verlagern. Der BVWP-Entwurf missachtet seine eigenen Zielsetzungen und bedarf einer grundlegenden Überarbeitung.

Es gibt nur wenige Projekte im BVWP-Entwurf, welche die Ziele einer verantwortungsvollen Verkehrswegeplanung auf so eklatante Weise verfehlen wie die A 20. Ein Bedarf für diese Autobahn ist nirgends auszumachen und selbst auf trickreichem Wege nicht herbeizuzaubern. Es gibt viele triftige Gründe, die A 20 umgehend aus dem „Vordringlichen Bedarf“ oder, besser noch, komplett aus dem BVWP zu streichen. Diese Autobahn ist offenbar vor allem durch politisches Geschachere überhaupt erst in den „Vordringlichen Bedarf“ gehievt worden. Wenn sie dort verbleibt, so könnte dies vor dem Hintergrund des Urteils zum Elbtunnel bedeuten, dass der Bedarf dieses nutzlosen sowie klima- und naturzerstörerischen Projekts zukünftig selbst vor Gericht nicht mehr in Zweifel gezogen werden kann.

Die A 20-Trasse führt zu 80 Prozent durch bis zu 20 Meter tiefe Moor- und Marschböden und würde deren CO2-Festlegungspotenzial zerstören. Die Trasse würde europäische Schutzgebiete beeinträchtigen und historisch alte Wälder entwerten. Die Trasse würde die letzten größeren verkehrsarmen unzerschnittenen Räume im Nordwesten für immer durchtrennen.

Eine ökologische und ökonomische Katastrophe dieses Ausmaßes könnte also ihren Lauf nehmen, nur weil die alles entscheidende Frage nach dem BEDARF nicht mehr gestellt werden kann?

Anmerkungen

(1)  http://www.a22-nie.de/

(2)  http://wp.a22-nie.de/category/schutz-und-klagefonds/information-zum-schutz-und-klagefonds/

(3)  http://www.wmecklenburg.de/plugins/files/940826/20160502-a20-eq-sh-anmerkung-urteilsverk__ndung.pdf

(4)  http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=35

(5)  http://wp.a22-nie.de/wp-content/uploads/2016/05/BVWP_Stellungnahme-oeffentlich_KOK_2016-04-29_final_low.pdf

(6)  http://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/BVWP/bvwp-2030-gesamtplan.pdf?__blob=publicationFile, S. 37

(7)  https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/dokumente/stellungnahme_des_umweltbundesamtes_zum_entwurf_des_
bundesverkehrswegeplans_2030_mit_umweltbericht.pdf, S. 12